Matthias Hoffmann ist Gründer des SWOP-Teams – einem sozialem Start-Up, das Gutes tun bequem, schnell und mühelos macht. Im Interview spricht er darüber, wie es zu der Idee kam, wie er den kompletten Spendenprozess in Deutschland auf den Kopf stellen will, welche Herausforderungen es bei der Gründung gab und gibt Tipps für die eigene Gründung.
Franz Sauerstein, Schwungvoll: Wer bist du und was machst du?

Matthias Hoffmann ist CEO des SWOP-Team.
Matthias Hoffmann, SWOP-Team: Ich heiße Matthias Hoffmann. Ich bin Gründer vom SWOP-Team. SWOP-Team ist die erste Flohmarkt-App der Welt, auf der du Gegenstände inserieren kannst und damit Gutes tust. Der große Unterschied zu allen anderen Flohmarkt-Apps ist, dass der Abnehmer deiner Gegenstände entscheidet, wie viel er für diesen Gegenstand spenden will.
Die Geldspenden leitet SWOP-Team weiter an soziale Organisationen und Projekte – das ist die grundsätzlich neue Idee! Das altbekannte Flohmarkt-App-Prinzip wird kombiniert mit dem sozialen Gedanken.
Franz Sauerstein: Wie kamst du auf die Idee?
Matthias Hoffmann: Die Idee kam mir 2013 im Dezember. Ich wollte meine Fernsehbank los werden, weil ich die nicht mehr gebraucht habe. Die hat neu 140,- Euro gekostet und war Top in Schuss. Bei eBay hätte ich zu dem Zeitpunkt nix mehr bekommen.
Der Marktwert war gleich gegen null. Dann habe ich mich entschieden, das Ding zu spenden. Ich bin dann zum Sozialkaufhaus in München gefahren und die haben gesagt, die brauchen es nicht weil das Lager voll ist. Ich habe keine Abnehmer gefunden. Und dann ist die Fernsehbank tatsächlich leider auf dem Müll gelandet, weil zu Hause kein Platz mehr war.
“Das kann eigentlich nicht sein, dass wegschmeißen die einfachste Lösung ist!” SWOP-Team
Wenn die mir das nicht abnehmen, muss ich es irgendwo anders inserieren, damit da etwas Gutes draus wird. So ist die Idee entstanden. Wir haben das ganze auf eine mobile Plattform gehievt. Wir erhöhen die Reichweite der Gegenstände, dadurch finden Sie Abnehmer und am Schluss wird es wieder etwas Gutes durch die Geldspende.

Das MockUp zeigt links die Startseite der App. Diese ist individuell an den jeweiligen Nutzer angepasst und zeigt ihm die NonProfit Organisation aus seiner Region, die die Geldspenden erhält. Recht ist der eigentlich Marktplatz, der bezogen auf die aktuelle Position, inserierte Artikel in der Umgebung anzeigt.
Wir haben mit der Entwicklung angefangen im Januar 2014, die App kam raus im Oktober und dann haben wir einen Probelauf in München gehabt und da sind in 3 Monaten mit wenigen Usern doch 600,00 Euro an Geldspenden zusammengekommen.
Franz Sauerstein: Wo fließen die Geldspenden hin?
Matthias Hoffmann: Das Besondere bei unserem Prinzip ist, dass die Geldspenden, die da raus kommen auch wieder lokal verwendet werden.
Das heißt, wenn jemand was in Hamburg inseriert, kommt es wieder einem Hamburger Sozialprojekt zugute, in München, München und so muss man sich das in ganz Deutschland vorstellen. In ganz Deutschland profitieren die Nonprofits davon. Das ist ein völlig neuer Fundraising-Kanal!
Franz Sauerstein: Warum ist das ein neuer Fundraising-Kanal?
Matthias Hoffmann: Bisher machen die sozialen Organisationen die Hand auf und sagen: “Ich möchte gerne Geld haben!” Sie bieten dem Spender aber keinen Mehrwert. Mit unserem Prinzip wird der Spender auf einer anderen Ebene abgeholt.
Er inseriert überflüssige Gegenstände und wird sie los – das ist sein Vorteil. Er schafft Platz zu Hause, ermöglicht aber gleichzeitig, dass daraus Geldspenden werden. Derjenige, der diesen Gegenstand abholt, befriedigt sein Bedürfnis und spendet gleichzeitig Geld. Es wird weniger weggeschmissen, es wird weniger produziert und die sozialen Organisationen werden unterstützt – jeder gewinnt!
Franz Sauerstein: Was willst du mit dem SWOP-Team erreichen?
Matthias Hoffmann: Ich will erreichen, dass Nonprofits nicht um Geld betteln müssen, sondern sich auf Ihre Aufgaben konzentrieren können. Jeder Mensch soll sich einfach und bequem sozial engagieren können. Wir nutzen dafür eine gelernte Handlung, die kennen wir alle seit Jahren über eBay.
Es gibt 400.000 Nonprofits in Deutschland, die auf Geldspenden angewiesen sind. Ich möchte in 4 – 5 Jahren 1 % dieser 400.000, also 4.000, es ermöglichen jeden Monat Geldspenden zu bekommen. Wir rechnen damit, dass es ungefähr 1 Million Euro pro Monat sein müssten.
Um diese 1 Million zu erreichen, bräuchten wir eine Marktgröße die ungefähr bei 3–4 % von eBay liegt. Das ist eigentlich nicht viel. Die Leute sind definitiv bereit, ihre Gegenstände, die sie nicht mehr brauchen, für einen sinnvollen Zweck zu verschenken.
Franz Sauerstein: Wie viele Leute müssten also mitmachen?
Matthias Hoffmann: Wenn pro Gegenstand im Schnitt 8,00 Euro zusammenkommen, brauchen wir 125000 Inserate pro Monat. Im Moment findet man bei SWOP-Team zum Beispiel Bücher, DVDs, aber das geht auch hin bis zum gebrauchten iPhone.
Franz Sauerstein: Vor welchen Herausforderungen steht ihr?

Ein Teil des SWOP-Teams. Von links nach rechts: Tom (Co-Gründer), Chris (Co Gründer), Matthias (Gründer)
Matthias Hoffmann: Wir sind insgesamt fünf Leute, die momentan noch gar kein Einkommen haben. Das heißt, wir bezahlen alles aus eigener Tasche. Das ist ganz schön hart.
Franz Sauerstein: Start-Ups haben ein Ziel: Schnell herausfinden, wie sie nachhaltig wirtschaften können. Das geht nur über Lernen. Wie habt ihr gelernt?
Matthias Hoffmann: Die größte Hilfe beim Lernen war: Wir sind immer sofort mit der Idee raus gegangen. Wir wussten, wir brauchen von Anfang an Feedback.
Wenn man etwas Neues erfindet, wo noch nichts da ist, an dem man sich orientieren kann, muss man raus und gleich Feedback einholen. Wenn man zu lange tüftelt und nach einem Jahr kommt man raus und die Leute sagen: „Das ist Schrott, das benutze ich nicht!“ – dann hat man ein Jahr zum Fenster raus geworfen.
Also: Raus mit der Idee! Das Feedback war manchmal wirklich wie erzwungenes Scherben essen. Aber das hat uns geholfen, das ganze Konzept soweit zu entwickeln, dass da wirklich eine gute App draus geworden ist. Das Geldspenden geht jetzt schnell. Spenden ist mit unserer App kein langwieriger, komplizierter Prozess mehr.
Franz Sauerstein: Okay, das heißt ihr seid einen Lean-Management-Ansatz gegangen? Schnell raus, schnell lernen, schnell verbessern. Seid ihr auf den erst gestoßen oder kanntet ihr den schon davor?
Matthias Hoffmann: Ich habe eigentlich gedacht, wir hätten ein Lean Start-Up betrieben, musste mir jetzt aber von zwei Professoren schon anhören, dass das gar nicht stimmt. [lacht] Also nein, wir hatten nicht vorgehabt ein Lean-Start-Up zu gründen, weil ich es gar nicht gekannt habe.
Man rutscht in die Start-Up-Welt rein, liest sich hier ein bisschen schlau. Es gibt ja Tausende von Veranstaltungen – Ich rate jeden einige davon zu besuchen. Angefangen von der IHK, von der Start-Up-Beratung oder Gründer-Beratung bis hin zu verschiedenen Businessplan-Workshops, Wettbewerben, Contests und Pitcher – da lernt man immer etwas.
Bestandteile eines Lean-Start-Ups sind da, aber die waren auch ziemlich naheliegend. SWOP-Team ist keine Idee, die man patentieren könnte. Deswegen sind wir immer gleich raus und haben uns Feedback geholt.
Franz Sauerstein: Gibt es ein lokales Projekt, das du als dein absolutes Lieblingsprojekt bezeichnen würdest bzw. darfst du das eigentlich in deiner Position?
Matthias Hoffmann: Ein Lieblingsprojekt habe ich nicht – dafür gibt es zu viele tolle Projekte! Auf die meisten stößt man leider im Alltag nicht, weil es keine Sammelliste oder ähnliches für soziale Projekte gibt.
Ein schönes Beispiel ist Radio Rio: Ich war in Stuttgart in einer Kinderklinik. Dort gibt es das Kinderradio Radio Rio. Dort machen Kinder das Programm. Praktisch geleitet wird es durch einen Reporter. Der läuft mit den Kindern rum und interviewt zum Beispiel Ärzte. Die Zielgruppe im Krankenhaus sind Kinder, die langfristig da sind.
Das ist natürlich eine total süße Idee. Die gibt es aber nur zweimal in Deutschland. Ich glaub, das liegt auch daran, dass die anderen es einfach nicht kennen. Von Radio Rio war ich sehr beeindruckt.
Franz Sauerstein: Was ist dein Rat für Gründerinnen und Gründer jeden Alters?
Matthias Hoffmann: Wenn es sich nicht um eine technische Erfindung oder ein technisches Verfahren handelt, wo man ein Patent drauf anmelden kann, solltet ihr eure Idee veröffentlichen! Besprecht das mit Freunden, macht Facebook-Posts was ihr vorhabt, schreibt Blogs, geht zu Veranstaltungen und riskiert auch schlechtes Feedback zu bekommen!
Das ist ein kostenloser Markttest , der kostet maximal Kraft und ein bisschen Sicherheit. Niemand klaut euch die Idee! Andere Leute haben gar nicht den Willen so etwas umzusetzen – die kopieren Modelle die funktionieren und nicht Ideen, die sich eventuell gut auf dem Papier anhören. Das ist mein Ratschlag für alle, die gründen wollen.
Franz Sauerstein: Vielen Dank!
Die SWOP-App gibt es für Apple und Android Smartphones. Geldspenden aus Konstanz fließen zum Beispiel ans Kinderklinikradio Radio Rio. Probieren Sie die App aus und trennen Sie sich von den Gegenständen, die Sie nur stören und andere glücklich machen!