“Tracify, Triple Whale, North Beam, Klar Insights und Co. kann man sich im eCommerce sparen.”
Hot Take?
Nein.
Eine handvoll meiner Kunden engagieren mich als ihren Sparringspartner für Strategie. Letzten Monat diskutierte ich mit einem Geschäftsführer folgende Frage:
“Woher wissen wir, in welchen Kanälen wir zu viel Budget ausgeben? Wo zu wenig? Und wo haben wir noch Raum für Verbesserungen der Effizienz?”
Die Drittanbieter von Attributionstools wie Tracify, Adverfly und Co. werben aggressiv und mit großen Versprechungen. Deshalb kam die Einführung eines solchen Tools auch schnell auf den Tisch – und das Gespräch nach besseren Alternativen auch auf LinkedIn in Gang.
Erfahren Sie hier, ob sich das Weiterlesen lohnt – lernen Sie etwas, entdecken Sie Einsparpotenziale und verbessern Sie Ihre Prozesse.
Beantworten Sie die folgenden Fragen, um zu ermitteln, ob der Einsatz eines Marketing Attribution Tools (MTA) für Ihr Unternehmen sinnvoll erscheint:
Wir fassen zuerst zusammen, dann gehen wir in die Tiefe. Dieser Meinungsbeitrag basiert auf Erfahrungen und einer systemischen Analyse.
Bieten Drittanbieter der Attributionstools wirklich mehr Erkenntnis?
So genannte Marketing-Attributions-Tools sind cloud-basierte Trackinglösungen, die Unternehmen dabei unterstützen (sollen), ihre Werbeanzeigen effektiv zu tracken. Sie bieten eine Reihe von Funktionen und Tools, um das Tracking zu optimieren und Einblicke in die Effizient und Effektivität der Anzeigen zu erhalten.
Aber sind die wirklich besser als die inbegriffenen Tracking-Tools, die die typischen Suchsysteme nutzen?
Die Kritik an Attributionstools wächst – vor allem, weil sie oft zu kurz greifen und komplexe Kundenreisen auf einfache Zahlen reduzieren. In der Praxis berichten viele eCommerce-Unternehmen von durchwachsenen Erfahrungen mit solchen Tools – insbesondere, wenn es darum geht, fundierte strategische Entscheidungen auf Basis der gelieferten Daten zu treffen.
Systemisch können solche Tools kaum bessere Insights geben als die von Google, Meta & Co:
- Weniger Datenzugang: Drittanbieter haben keinen nativen Zugriff auf Plattformdaten wie Google oder Meta – sie arbeiten oft mit aggregierten oder interpolierten Daten und generell weniger Datentypen, was die Genauigkeit einschränkt.
- Ordentliche UTM-Struktur = halbe Miete: Mit sauberen UTM-Parametern und einer durchdachten Namenskonvention für Kampagnen, Anzeigengruppen und Anzeigen hat man bereits detaillierte Auswertungsmöglichkeiten – ganz ohne zusätzliche Kosten von 500 €+ pro Monat.
- Plattform-interne Optimierung bleibt außen vor: Drittanbieter können ihre Daten nicht automatisch an Google/Meta zurückspielen – maschinelles Lernen der Plattformen kann dadurch nicht optimal genutzt werden.
- Lineare Modellannahmen sind unrealistisch: Viele Tools basieren auf simplen Modellen linearer Kundenreisen, die vom Kanaldenken bestimmt werden – die Realität ist komplexer, was zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen wird.
- Illusion der Genauigkeit: Viele Tools suggerieren Klarheit, indem sie etwa versuchen, die Kanalzuordnung auf exakt 100 % aufzuteilen. Doch diese scheinbare Präzision entsteht in einem Umfeld unsicherer Daten – und führt zu einer trügerischen Sicherheit bei Entscheidungen.
- Visuelle Verzerrung durch schöne Dashboards: Die Dashboards solcher Tools wirken oft „polished“ und professionell, präsentieren Daten aber häufig so, dass sie bestehende Annahmen bestätigen. Man bekommt gezeigt, was gut aussieht – nicht zwingend, was strategisch sinnvoll ist.
- Fokus auf kurzfristige Metriken: Attributionstools priorisieren oft Last-Click-Conversions und andere kurzfristige KPIs. Der langfristige Effekt von Branding- oder Upper-Funnel-Kampagnen bleibt dabei auf der Strecke – was zu fehlerhaften Optimierungsentscheidungen führen kann.
- Tracking auf dem absteigenden Ast: Durch strengere Datenschutzregulierungen und das Ende von Third-Party-Cookies verlieren klassische Trackingmethoden an Wirksamkeit. Neue Verfahren wie Server-Side-Tracking oder Device-Fingerprinting sind kein verlässlicher Ersatz. Probabilistische Messmodelle wie Media-Mix-Modelling, die statistisch die Inkrementalität einzelner Kanäle analysieren, werden künftig unverzichtbar.
- Fehlende Handlungsebene: Die Auswertungsebene vieler Attributionstools passt nicht zur tatsächlichen Steuerungsebene in den Kanälen. Es fehlen oft konkrete Stellschrauben und klare Handlungsempfehlungen. Das führt dazu, dass schöne Dashboards entstehen, aber keine unmittelbar umsetzbaren Optimierungsschritte – ein Punkt, den Carsten Streich treffend formuliert hat.
Keine klare Umsetzbarkeit: Selbst wenn Attributionstools Empfehlungen für Kanalverlagerungen geben (z. B. „mehr Budget in SEO oder eine bestimmte Meta Kampagne investieren“), fehlt häufig die konkrete Umsetzbarkeit: Was tun, wenn SEO bereits voll ausgereizt ist oder Kampagnen keine steuerbaren Stellschrauben bieten? Diese Fragen sind Teil der Praxis, werden aber von den Machern (und Vermarktern) solcher Tools gefühlt nicht bedacht.
Das heißt, diese Tools haben weniger Daten und bauen auf der falschen Annahme auf, dass Kundenreisen linear sind, die Touchpoints einer Kundenreise vollständig messbar (oder interpolieren) und sich daraus nutzbare Erkenntnisse gewinnen lassen. Die Drittanbieter-Tools lassen sich ihren Service aber teuer bezahlen – und meiner Meinung basierend auf der Angst und Unsicherheit von Marketingverantwortlichen.
Alternativen zu Marketing-Attribution-Tools
Deswegen empfehle ich, sich für andere Maßnahmen zu entscheiden:
- Wer sich auf wenige, leistungsstarke Suchsysteme fokussiert, kann Budgets gezielter einsetzen, schneller lernen und profitabler skalieren – statt viele Kanäle nur halbherzig zu bespielen. Dabei beachten, sich nicht nur von bezahlten und fremdbestimmten Suchsystemen abhängig zu machen, sondern auch selbstbestimmte Systeme aufzubauen.
- Sinnvolle Namenskonventionen über alle Kanäle hinweg aufbauen und benutzen. Allein das zahlt schon die halbe Miete der Tools, die sich diesen Service für 200 bis 500 € pro Monat teuer bezahlen lassen. Eine Vorlage gibt’s hier.
- Neben der deterministischen Attribution (Webtracking) auch ein probabilistisches Modell aufzubauen (Media-Mix-Modelling). Das geht mit HirnGPT schon für einen schmalen Taler (Goldener Kassenschnitt mit Marketing-Changelog), mit analytischer KI wird tatsächlich klar, aus welchen Kanälen und Kampagnen die inkrementelle Wertschöpfung kommt.
Luke Austin von Common Thread Collective hat auch Daten geliefert, die diese These bestätigen. Die Hauptaussage: Die von Google und Meta eingesetzte Attribution korreliert genauso gut oder besser mit Neukundenumsatz wie die Attribution der Drittanbieter Tools, die sich das teuer bezahlen lassen.
Das Geld kann man also lieber in Customer Research stecken und mit dem Umsetzen der Erkenntnisse die MER (Marketing Effizienzratio) durch CRO (Konversionsratenoptimierung) auf den Plattformen (durch Einsatz von Bedarfsgruppenmodellen, Resonanzgittern, besserer Accountstruktur und Testing) und der eigenen Website steigern.
Oder man überlegt sich, ob man sich aus dem harten Boxkampf im Wettbewerb nicht zurückziehen will… und stattdessen zum hochprofitablen Quasi-Monopolisten durch die Erbringung von einzigartigen Wert entwickelt. Dazu braucht man Strategie.
Ein weiterer Nachteil von Drittanbietern: Die Erkenntnisse können nicht maschinell an Google und Meta zurückgegeben werden. Man kann also maschinell damit nicht optimieren – was für eine Verschwendung von menschlicher Lebenszeit und Kreativität!
Der Effekt des leeren Tafelschwamms: MTAs führen in die Todesspirale
Das größte Problem: Es entsteht ein Tunnelblick. Man traut der Marketing-Attribution dieser Tools blind und steckt immer mehr Geld in den falschen Kanal.
Man stelle sich einen Tafelschwamm vor: Solange er voll ist, lässt sich bei jedem Druck Wasser herauspressen. Irgendwann aber ist er leer – stärkeres Drücken bringt dann nichts mehr. Genauso verhält es sich im Marketing: Wer sich ausschließlich auf Bedarfsabschöpfung verlässt und immer mehr Budget in dieselben Kanäle steckt, erzielt irgendwann keine Ergebnisse mehr.
Denn viele Attributionstools zeigen vor allem, wo bereits bestehender Bedarf konvertiert – also die letzten Touchpoints vor dem Kauf. Doch dieser scheinbare Erfolg führt in die Irre: Nachfrage muss auch geschaffen werden, bevor man sie abschöpfen kann. Faustregel: Nur 5% der adressierbaren Bedarfsgruppe ist jetzt gerade dabei ihren Bedarf aktiv zu decken.
Wer nur nach kurzfristigem Return optimiert, ohne langfristig Markenbekanntheit, Vertrauen und vor allem Bedarf aufzubauen, erlebt irgendwann das gleiche Problem wie unser ausgedrückter Schwamm: Der Markt ist ausgetrocknet, der Cost per Acquisition steigt ins Unermessliche, und plötzlich funktioniert das Direct-Response/Performance-Marketing nicht mehr.
Die Lösung: Den Schwamm regelmäßig wieder vollsaugen – durch gezieltes Branding und langfristigen Markenaufbau, der neue Nachfrage schafft. Wer das ignoriert, landet in der Attribution-Falle und wundert sich, warum das Wachstum stagniert und die Gewinne einbrechen.
Leistung von Werbeanzeigen genau tracken – so geht’s
Ich verstehe den Wunsch, warum man möglichst genau tracken möchte. Mit einer gewissen Seniorität kann man den Wunsch irgendwann ablegen und lernt es in Wahrscheinlichkeiten zu denken – eine Superkraft!
Das kann man lernen – beim Einsatz von Marketing-Attributionstools muss man diese Punkte im Kopf behalten.
Begrenzter Fokus auf messbare Interaktionen: Attributionstools beschränken sich oft auf leicht messbare Aktivitäten, was zu einer Unterbewertung von nicht-transaktionalen Marketingbemühungen führen kann. Dein Bedarfsgruppenmitglied sieht offline ein Werbemittel von dir, googelt danach und klickt auf eine Anzeige? Überraschung, deine First Impression ist vollkommen falsch.
Fehlattribution von Einfluss: Die Tools neigen dazu, den Einfluss auf Konversionen falsch zuzuordnen. Beispielsweise kann ein Nutzer zuerst durch ein LinkedIn-Video auf die Marke aufmerksam werden, später aber über Google suchen und konvertieren. Die Software würde dies der organischen Suche zuschreiben und die erste LinkedIn-Interaktion übersehen. Der Effekt wird da berichtet, wo er gemessen wird – nicht wo er entsteht. Tja.
Viele Attributionstools können zudem nur tatsächlich gemessene Visits oder Klicks zuordnen. Ein großer Teil der Kanalkontakte, wie reine Impressionen oder View-Through-Effekte, bleibt unberücksichtigt. Das verzerrt die Wahrnehmung – und statische Auswertbarkeit (!) – darüber, welche Kanäle im Entscheidungsprozess wirklich relevant sind.
Überbetonung von Google: Es gibt eine Tendenz, Google (sowohl organische als auch bezahlte Suche, Suchmaschinen generell) übermäßig viel Kredit zu geben, da viele Kunden Google als letzten Schritt vor dem Kauf nutzen, obwohl ihre Kaufreise an einem anderen Punkt begann. So nutzen Sie Google Ads für eCommerce richtig – Ein Leitfaden (2024).
Schaffung vs. Erfassung von Nachfrage: Der Fokus der Attributionstools auf messbare Konversionen kann dazu führen, dass Marken das Einsammeln bestehender Nachfrage (z.B. das Ansprechen von lösungsbewussten Kunden, die zum Kauf bereit sind) der Schaffung neuer Nachfrage und dem Aufbau von Markenbekanntheit vorziehen. Letztere sind schwerer zu messen, aber für langfristiges Wachstum entscheidend. Irgendwann ist der Schwamm aber ausgedrückt… Ein weiterer Nachteil ist, dass andere hochprofitable Bedarfsgruppen vielleicht gar nicht erst angesprochen werden, weil deren Customer Journey schwerer messbar ist.
Unternutzung von nicht-transaktionalen Marketingkanälen: Wegen der Schwierigkeit, ihren direkten Einfluss zu messen, werden Marketingkanäle wie Influencer-Marketing, Podcasting, Außenwerbung, Werbung in Fachmagazinen oder Lokalzeitungen, TV-Werbung oder andere klassische Branding-Kanäle nicht repräsentiert. Diese Kanäle spielen aber eine entscheidende Rolle im Markenaufbau und der Bedarfsweckung. Wer diese ignoriert, handelt fahrlässig.
Wohin also das Marketing-Budget im eCommerce zuweisen?
Die allgemeinen Faustregeln bleiben bestehen:
- Lieber wenige Suchsysteme exzellent nutzen, statt viele “so lala”. Zwei bezahlte (Meta, Google Ads), ein fremdbestimmtes (Organische Suche) und ein eigenes (E‑Mail-Marketing, Perimeter) Suchsystem ergeben einen Mix aus Resilienz und finanzierbarem Wachstum. Mehr dazu im Video “Erfolgsmetrik 7: Die optimale Anzahl von Suchsystemen”.
- Brand Marketing Kampagnen in Suchmaschinen sollte man auf das Optimum aus Impression-Share und Werbekosten optimieren statt RoAS – Kurvendiskussion lässt grüßen.
- Wenn eure Produkte (oder Lösungen für eure Bedarfsgruppe) bereits in Suchmaschinen gesucht werden, dann setzt ein RoAS-Ziel, dass ihr aus euren Deckungsbeiträgen ableitet und gebt ein überhohes Tagesbudget frei. (Wenn das Tagesbudget ausgegeben wird, dann ist es zu gering.) Damit greift ihr Bedarf ab, der schon da ist. (Oder ihr messt direkt Deckungsbeiträge und optimiert per MoAS. Funktioniert noch besser, können aber viele technisch noch nicht. Wettbewerbsvorteil, den man sich bei uns einkaufen kann.)
- Je nach Produkt und finanzieller Lage nutzt ihr eine Bid Cap Strategie (Mehr Effizienz) oder eine Volumen Strategie (Mehr Planbarkeit) für Werbung auf Meta, um Bedarf zu generieren – und lasst euch nicht durch die Attribution von Dritt-Tools verwirren.
Das Ziel heißt nun, nachdem die 0%-Zins-Phase vorbei ist: Profitabel sein beim ersten Kauf oder spätestens im ersten Monat.
Doch Vorsicht: Höchster Umsatz bedeutet nicht automatisch höchsten Gewinn. Je mehr Budget in einen gesättigten Kanal fließt, desto kälter sind die angesprochen Nutzer, desto höher die Akquisekosten und desto geringer der Grenznutzen jedes weiteren Werbeeuros. Wer blind skaliert, landet schnell in einem Kostental.
Der Schlüssel: Klar entscheiden, ob man möglichst profitabel werben oder möglichst viel Wachstum erzielen will – und das Marketing entsprechend steuern.
Tipp: Auch diese Punkte kann man sich ausrechnen lassen. Sinnvoll ist es ab Werbebudgets von +20.000 € im Monat.
Kennen Sie auch die Profitabilität Ihrer Kunden?
Wenn dieser Beitrag Ihnen neue Erkenntnisse zur Optimierung Ihres eCommerce-Marketings gegeben hat, finden Sie bestimmt auch interessant, wie Sie mit der LTV:CAC-Ratio die Profitabilität Ihrer Kunden über deren Laufzeit steigern können.
Und wenn Sie bis hierhin gelesen haben, dann gehen Sie gerne mit Köpfchen an Ihr eCommerce-Geschäft ran. Und Sie stimmen mir sicherlich zu: Strategie und operative Exzellenz lösen die engsten unternehmerischen Flaschenhälse und ermöglichen so eine Steigerung des Betriebsergebnis, ohne im harten Wettbewerb mit der Konkurrenz zu stehen. Wenn das für Sie interessant ist, dann schauen Sie sich unsere Strategiebegleitung an und lassen Sie uns miteinander sprechen.
Herzlichen Dank an Julian Kleinknecht, der wertvolle Impulse für diesen Artikel geliefert hat. Seine Expertise liegt in der Unterstützung vom Conversion-Optimierung und Webanalyse für Unternehmen in allen Branchen.